Rechtsgeschichte

Das antike römische Recht hat noch heute Auswirkungen auf unsere Gesetze.
Das antike römische Recht hat noch heute Auswirkungen auf unsere Gesetze.
Auf dieser Seite haben wir einige Themen aus der Rechtsgeschichte zusammengestellt. Es geht dabei mehr oder weniger um die gesamte Menschheitsgeschichte, also ab dem Entstehen von Recht überhaupt.

Besonderes Augenmerk liegt natürlich auf der europäischen und deutschen Rechtsgeschichte. Gerade das Deutsche Kaiserreich ab 1871 und der Nationalsozialismus sind hinsichtlich der Schaffung aber auch Instrumentalisierung von Recht äußerst interessant. Insoweit ist aber auch die Rechtsgeschichte des Römischen Reiches relevant, da auf dessen Prinzipien weite Teile unseres heutigen Rechts basieren.

Im Übrigen werden auch noch rechtgeschichtliche Themen behandelt, die spezielle Situationen betreffen oder epochenübergreifend sind.

Inhalt

Frühzeit

War das Heilige Römische Reich Deutscher Nation ein Staat?

Nein. Die Rechtsnatur des Heiligen Römischen Reichs ist noch immer ungeklärt, ein Staat war es jedoch nicht.

Die einzelnen Gliedstaaten waren zwar in jeder Hinsicht souverän, doch gab es den Kaiser als gemeinsames Oberhaupt, dem die Herrscher der Reichsglieder zur Treue verpflichtet waren.

Die wohl herrschende Ansicht geht davon aus, dass das HRR ein Staatenbund eigener Art (sui generis) war, den man mit üblichen staatsrechtlichen Kategorien nicht erfassen kann. Samuel von Pufendorf, Völkerrechtler und Philosoph bezeichnete es als Verbund mit einem „irregulären und einem Monstrum ähnlichen Körper“ (irregulare aliquod corpus et monstro simile).

Wann gab es die ersten Anwälte?

Eine Welt ohne Anwälte können und wollen wir heute gar nicht mehr vorstellen. Und doch ist der Beruf des Advokaten nicht einfach vom Himmel gefallen.

So gab es in römischer Zeit bspw. keine Anwälte. Die Vertretung vor Gericht wurde vielmehr meist kostenlos durch Politiker übernommen, die dies als Teil ihres Dienstes am Volk begriffen.

Die ersten im Schrifttum nachweisbaren Anwälte gab es unter der Bezeichnung „Fürsprecher“ im Sachsenspiegel aus dem frühen 13. Jahrhundert.

Welche war die erste Verfassung der Welt?

Da jede Form von Machtausübung automatisch eine ungeschriebene Verfassung erzeugt, gibt es Verfassungen praktisch schon immer, seit es staatsähnliche Strukturen gibt.

Als erste geschriebene Verfassung wird normalerweise die Verfassung des hethitischen Königs Telipinu (ca. 1460 v. Chr) angesehen.

Was ist das Corpus Iuris Civilis?

Das Corpus Iuris Civilis (CIC, CICiv) ist ein oströmisches Gesetzeswerk aus dem 6. Jahrhundert. In ihm wurden Kaisererlasse, Lehrbücher und juristische Abhandlungen gesammelt. Es wurde dann als „das geltende Recht“ angesehen, war also eine Neukodifikation des römischen Rechts.

Was war die Carolina?

Die Constitutio Criminalis Carolina (CCC), auf Deutsch Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V., war ein spätmittelalterliches Strafgesetzbuch. Die Carolina enthielt materielles und prozessuales Recht, wobei teilweise bereits recht moderne Ansätze (Schuldprinzip, Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit) erkennbar sind.

Die CCC galt nicht im ganzen Heiligen Römischen Reich, da es keine Gesetzgebungszuständigkeit des Reichs hierfür gab. Vorrang genossen als die Strafgesetze der einzelnen Reichsstände. Allerdings war die Carolina Vorbild für verschiedene Landesgesetze.

Haben die Römer nur Sklavennamen in Großbuchstaben geschrieben?

Nein. Die Römer haben alle Namen in Großbuchstaben geschrieben, weil sie überhaupt keine Kleinbuchstaben hatten.

Auf römischen Münzen, die es heute noch in großer Zahl gibt, ist in der Regel der jeweilige Kaiser abgebildet. Und wer schon einmal so eine Münze gesehen hat, weiß, der Name des Kaisers dort ausschließlich in Großbuchstaben gesetzt ist. Gleiches gilt für Triumphbögen, Säulen, Gräber und andere Inschriften – weil die Römer einfach alles groß geschrieben haben. Dabei gab es zwei unterschiedliche Schriftarten, die „Capitalis monumentalis“ und die „Capitalis elegans“, die aber beide reine Majuskelschriften waren.

Wer also nicht glaubt, dass der Kaiser selbst ein Sklave war, kann kaum auf die Idee kommen, die Schreibweise hätte irgendeine rechtliche Bedeutung.

Was war eine Fehde?

Als Fehde bezeichnete man die Gewaltanwendung zur Durchsetzung eigener Rechte. Dies war im Mittelalter das Recht eines jeden Wehrberechtigten, also einer Person von gewissem Stand. Da es noch keine flächendeckende und effektive Gerichtsbarkeit gab, war diese zur Rechtsdurchsetzung unerlässlich.

Die Fehde konnte auch gegenüber ranghöher stehenden Personen bis hin zum Monarchen erklärt werden. Insofern vermittelte sie bereits ein gewaltsames Widerstandsrecht gegen diktatorische Maßnahmen.

Seit wann gibt es Gefängnisstrafen?

Bis weit ins Mittelalter hinein waren Freiheitsstrafen praktisch unbekannt. Die Einsperrung in Kerker und Verlies diente nicht der Freiheitsentziehung im heutigen Sinne, sondern war – aufgrund der Haftbedingungen – eher als Körperstrafe, also Folter anzusehen.

Gefängnis im heutigen Sinne gab es zunächst im Kirchenrecht. In Klöstern wurden spezielle Haftzellen eingerichtet. Diese Form der Kriminalstrafe setzte sich dann später auch im allgemeinen Recht durch. Die Ersetzung von Körper- durch Freiheitsstrafen wurde vor allem in der Aufklärung als „moderne“ Sanktion gesehen.

Heute geht die Tendenz dagegen dazu, Gefängnisstrafen für leichte und mittelschwere Kriminalität zurückzudrängen und stattdessen auf Geldstrafen oder auf Freiheitsstrafen zur Bewährung auszuweichen.

Was ist das Naturrecht?

Als Naturrecht bezeichnet man das Recht, das von Natur aus vorhanden ist. Der Gegensatz dazu ist das positive Recht, also das durch den Gesetzgeber entwickelte und niedergeschriebene Recht.

Das Naturrecht ist als solches unveränderbar. Das positive Recht darf nicht gegen das Naturrecht verstoßen, sondern wird durch dieses begrenzt.

Heutzutage spielt das Naturrecht kaum noch eine Rolle, da praktisch das gesamte Recht kodifiziert ist. Naturrechtliche Gesichtspunkte wie etwa die angeborenen, unveräußerlichen Grundrechte sind Teil der Verfassung.

Was war der Immerwährende Reichstag?

Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation war der Reichstag eines der Hauptorgane dieses Staatenbundes. Der Reichstag trat aber nur selten zusammen, um Beschlüsse für mehrere Jahre zu fassen.

Dies änderte sich mit dem Jahr 1663. Ab dann wurde der Reichstag zu einem einer ständigen Delegiertenkonferenz der Mitgliedsstaaten. Bis zum Ende des Reiches tagte er fortdauernd („immerwährend“) im Regensburger Reichstagsgebäude.

Woher stammt das föderale Rechtssystem in Deutschland?

Im Heiligen Römischen Reich gab es keine einheitliche Gerichtsbarkeit. Jeder Mitgliedsstaat hatte seine eigenen Gerichte. Lediglich das Reichskammergericht sicherte eine gewisse Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Da jedoch vielen Staaten Privilegien eingeräumt wurden, wonach gegen die Urteile ihrer Gerichte kein Rechtsmittel mehr zugelassen werden musste, war dieses nicht immer letzte Instanz.

Dementsprechend war die Rechtsprechung der unteren Gerichte trotzdem von enormer Bedeutungen. Dies ist noch heute ähnlich. Kein Richter ist dazu verpflichtet, der Rechtsmeinung anderer Gerichte zu folgen und häufig bildet sich eine herrschende Meinung in der Rechtsprechung gerade über die Landgerichte und Oberlandesgerichte heraus.

Was waren Laienspiegel?

Als Laienspiegel bezeichnete man in der Frühen Neuzeit Rechtshandbücher von Nichtjuristen (also Laien), die sich mit dem römischen Recht beschäftigten. Sie werteten in erster Linie Lehrbücher aus der Antike aus, um das römische Recht zusammenzustellen und dieses dann auf die Verhältnisse der Zeit zu übertragen.

Später gelangte dieser Ansatz auch in die Praxis der professionellen Juristen, die den „Usus modernus“ zum herrschenden Rechtsverständnis ausbauten.

Was bezeichnet man als aufgeklärten Absolutismus?

Absolutismus bedeutet eine unbeschränkte Herrschaftsmacht des Monarchen. Dieser war an keine Verfassung und keine Beschränkungen seiner Rechte gebunden.

Der aufgeklärte Absolutismus hielt hieran zwar fest, war jedoch von einer Selbstbeschränkung des Monarchen gekennzeichnet. Vor allem Friedrich II. von Preußen verstand sich als Diener des Staates, der die Interessen seiner Untertanen fördern musste. Der Absolutismus bedeutete also nicht mehr Willkür und war kein Selbstzweck, sondern sollte in aufgeklärter Weise den Bürgern zugute kommen.

Was bedeutete Aktenversendung?

Als Aktenversendung bezeichnete man die Praxis, die Akten eines Gerichtsverfahrens vor Verkündung eines Urteils an juristische Universitäten zu versenden, um die Meinung der Professoren einzuholen. Auf diese Weise bekam die Wissenschaft erheblichen Einfluss auf die Praxis.

The Instrument of Government – die Cromwell-Verfassung Großbritanniens

Die Herrschaft Oliver Cromwells steht für zwei Anomalien in der britischen Geschichte: Nur in dieser Zeit hatte Großbritannien keinen König und nur in dieser Zeit hatte Großbritannien eine geschriebene Verfassung.

Ob dagegen die oft gehörte Aussage zutrifft, Großbritannien wäre auch keine Monarchie gewesen, ist nicht ganz so einfach zu klären. Einzigartig war jedenfalls die Bezeichnung als „Commonwealth“ (vollständig: „Commonwealth of England, Scotland, and Ireland“). Dieser Begriff ist nicht eindeutig ins Deutsche zu übersetzen, am ehesten trifft wohl der Terminus „Gemeinwesen“ den Sinn oder, noch einfacher, „Staat“.

Heute werfen wir einen Blick auf diese geschriebene Verfassung, betitelt „Instrument of Government“. Die Verfassung ist in 42, mit römischen Ziffern durchnummerierte Artikel gegliedert:

I. Der Staat wird als Commonwealth bezeichnet. Die Verfassungsorgane sind der Lord Protector und das Parlament als Versammlung der Bürger.

II. Die Regierungsgewalt liegt beim Lord Protector und dem Rat („Council“), der aus 13 bis 21 Mitgliedern besteht.

III. Alle Verwaltungstätigkeit geschieht im Namen des Lord Protectors. Er übt das Begnadigungsrecht aus. Die Regierungsgewalt ist an die Verfassung und die Gesetze gebunden.

IV. Der Lord Protector ist militärischer Oberbefehlshaber. Er handelt mit Zustimmung des Parlaments, außerhalb der Parlamentssitzungen mit Zustimmung des Rats.

V. Der Lord Protector ist für die Außenpolitik zuständig. Kriegserklärungen und Friedensschlüsse bedürfen der Zustimmung des Rats.

VI. Die Gesetzgebung liegt beim Parlament.

VII. Das Parlament trifft sich zur ersten Sitzung am 3. September 1654 in Westminster. Alle drei Jahre muss ein neues Parlament versammelt werden. (Ein Parlament war in der damaligen Verfassungstradition keine ständige Körperschaft, sondern eine für einen einmaligen Anlass gewählte Versammlung.)

VIII. Das Parlament darf nicht ohne seine Zustimmung aufgelöst oder die Sitzung vertagt werden, sofern es noch nicht mindestens fünf Monate getagt hat. (Siehe vorheriger Artikel: Dadurch sollte sichergestellt werden, dass das Parlament wenigstens fünf Monate arbeiten kann, bevor es wieder drei Jahre lang kein Parlament gibt.)

IX. Das Parlament besteht aus 400 englischen und walisischen, 30 schottischen und 30 irischen Abgeordneten.

X. Explizite Verteilung der englischen und walisischen Abgeordneten auf die Städte und Grafschaften. Die schottischen und irischen Abgeordneten werden durch den Lord Protector mit Zustimmung des Rates verteilt.

XI. Formelle Vorschriften über die Wahlbekanntmachung durch Proklamation auf den Wochenmärkten durch die Bürgermeister und lokalen Beamten.

XII. Rückmeldung der Wahlergebnisse.

XIII. Geldstrafe von 2000 englischen Mark für Wahlfälschung.

XIV. Wer nach dem 1. Januar 1641 auf der Seite der Monarchisten stand, ist nicht in die ersten vier Parlamente wählbar.

XV. Alle Unterstützer der irischen Rebellion verlieren auf Lebenszeit das aktive und passive Wahlrecht. Gleiches gilt für Katholiken.

XVI. Erhebliche Geldstrafe und teilweise Vermögenseinziehung für unerlaubte Stimmabgabe.

XVII. Abgeordnete müssen mindestens 21 Jahre alt sein, integer, gottesfürchtig und wortgewandt sein und…

XVIII. … mindestens 200 Pfund Vermögen aufweisen.

XIX. Die höchsten Beamten der Parlaments (Chancellor, Keeper and Commissioners of the Great Seal) werden darauf vereidigt, dass sie die Beschlüsse des Parlaments korrekt beurkunden und verkünden. Verstöße gelten als Hochverrat.

XX. Die Verkündung kann auch durch lokale Beamte auf Anweisung des Parlaments geschehen. Verstöße gelten als Hochverrat.

XXI. Die gewählten Abgeordneten werden dem Rat gemeldet, der dann ihre Wählbarkeit überprüft und sie ggf. als Mitglieder des Parlaments bestätigt.

XXII. Das Parlament ist beschlussfähig, wenn 60 Mitglieder anwesend sind.

XXIII. Der Lord Protector kann das Parlament mit Zustimmung des Rats einberufen. Das Parlament darf nicht ohne seine Zustimmung aufgelöst oder die Sitzung vertagt werden, sofern es noch nicht mindestens drei Monate getagt hat.

XXIV. Das Parlament unterbreitet dem Lord Protector alle Gesetzesbeschlüsse zur Zustimmung. Die Zustimmung zu nicht verfassungsändernden Entwürfen gilt nach 20 Tagen als erteilt.

XXV. Namentliche Nennung der ersten Ratsmitglieder.

Scheidet ein Mitglied aus dem Amt aus, nominiert das Parlament sechs Kandidaten für die Nachfolge, aus denen der Rat zwei auswählt. Die endgültige Entscheidung zwischen diesen beiden liegt beim Lord Protector. Kommt eine Nominierung durch das Parlament nicht innerhalb von 20 Tagen zustande, nominiert der Rat drei Kandidaten.

Bei Korruption und Amtsmissbrauch wird ein gemeinsamer Untersuchungsausschuss von Parlament und Rat einberufen.

XXVI. Vor Zusammentritt des ersten Parlaments können Lord Protector und Rat gemeinsam weitere Ratsmitglieder wählen, bis die Maximalzahl von 21 erreicht ist.

XXVII. Finanzierung der Armee für 10.000 Dragoner, 20.000 Fußsoldaten und ausreichend viele Schiffe. 200.000 Pfund für andere Regierungsaufgaben. Die Steuererhebung wird von Lord Protector und Rat festgelegt. Spätere Steuergesetze bedürfen der Übereinstimmung von Lord Protector und Parlament.

XXVIII. Einnahmen fließen in den allgemeinen Haushalt und Ausgaben werden daraus bestritten.

XXIX. Einsparungen durch eine kleinere Armee dürfen nur mit Zustimmung des Parlaments, außerhalb dessen Sitzungen mit Zustimmung des Rats, für andere Zwecke verwendet werden.

XXX. Zusätzliche Ausgaben für eine größere Armee dürfen nur mit Zustimmung des Parlaments eingegangen werden. In dringenden Fällen vor Zusammentritt des ersten Parlaments ist auch die Zustimmung des Rats ausreichend.

XXXI. Staatliche Immobilien, ausgenommen beschlagnahmtes Eigentum, werden durch den Lord Protector verwaltet. Er nimmt auch verhängte Geldstrafen ein.

XXXII. Das Amt des Lord Protectors gilt auf Lebenszeit. Nach seinem Tod wählt der Rat einen Nachfolger. Mitglieder der früheren Königsfamilie sind nicht wählbar.

XXXIII. Oliver Cromwell ist der erste Lord Protector.

XXXIV. Hohe Beamte und Richter werden mit Zustimmung des Parlaments, außerhalb der Sitzungsperioden mit Zustimmung des Rates ernannt.

XXXV. Der christliche Glaube ist Staatsreligion. Der Staat wird für eine bibeltreue Auslegung des Glaubens sorgen.

XXXVI. Niemand soll zum christlichen Glauben gezwungen, aber zu dessen Ausübung ermuntert werden.

XXXVII. Die Ausübung der christlichen Religion ist frei, sofern sie nicht missbraucht wird.

XXXVIII. Gesetze, die gegen die Religionsfreiheit verstoßen, sind nichtig.

XXXIX. Bestehende Verfügungen des Staates und gegebene Sicherheiten bleiben gültig.

XL. Bestehende Übereinkommen mit feindlichen Staaten bleiben gültig.

XLI. Der Lord Protector wird auf die Verfassung und die Gesetze vereidigt.

XLII. Die Ratsmitglieder werden auf ihre Pflichten vereidigt.

Kaiserreich

Hat das BGB die Sklaverei verboten?

Dies wird teilweise so kolportiert, ist aber nur halb richtig. Richtig ist, dass das BGB eine klare Absage an die Sklaverei bereits in seinem ersten Paragraphen formuliert:

Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt.

Dies bedeutet, dass jeder lebende Mensch eine Rechtsperson ist, also Rechte und Pflichten erwerben kann. Sklaven waren dagegen im römischen Recht und in späteren Rechtsordnungen keine rechtlichen Personen, sondern nur biologische Menschen.

In Deutschland war diese Frage beim Inkrafttreten des BGB im Jahr 1900 längst entschieden, es gab schon lange keine Sklaverei mehr. International war dies aber anders, in anderen Staaten gab es zumindest zu Beginn der Beratungen über das BGB im Jahr 1874 noch Sklaven oder man hatte die Sklaverei gerade erst abgeschafft.

Mehr dazu finden Sie hier: Sie hören von meinem Anwalt – Mensch und Person

Was sind die Reichsjustizgesetze?

Als Reichsjustizgesetze bezeichnet man die Gesetze, die sich mit dem Prozessrecht und dem Justizwesen des deutschen Reichs beschäftigt haben. Diese wurden 1877 verabschiedet und traten am 1. Oktober 1879 im ganzen damaligen Deutschland in Kraft. Sie lösten damit die bislang geltenden Landesgesetze ab.

Zu den Reichsjustizgesetzen zählen:

  • Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)
  • Civilprozessordnung (CPO, heute ZPO)
  • Strafprozessordnung (StPO)
  • Konkursordnung (KO)

Zu diesen Gesetzen kam jeweils noch ein Einführungsgesetz hinzu. Die Gesetze bestehen heute noch, allerdings hat die Insolvenzordnung die Konkursordnung abgelöst.

Hinzu kamen noch die Nebengesetze:

  • Gesetz über den Sitz des Reichsgerichts
  • Gerichtskostengesetz
  • Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher
  • Rechtsanwaltsordnung
Was bedeuteten Zuchthausstrafen?

Im ursprünglichen Strafgesetzbuch des Deutschen Reichs gab es nicht einfach nur Freiheitsstrafen wie heute, sondern verschiedene Arten:

  • Für Übertretungen (heute Ordnungswidrigkeiten) war Haft bis sechs Wochen vorgesehen. Die Haft sollte nur eine „einfache Freiheitsentziehung“ sein.
  • Vergehen konnten mit Gefängnis bis maximal fünf Jahren bestraft werden. Gefängnisinsassen konnten zu „angemessenen“ Arbeiten herangezogen werden.
  • Für Verbrechen war Zuchthaus von einem bis zu fünfzehn Jahren oder lebenslang vorgesehen. Die „Zuchthäusler“ waren zur Arbeit verpflichtet.
  • In einigen Fällen war auch noch die ehrenhafte Festungshaft möglich.

In der Vollstreckungsart unterschieden sich diesen Strafen erheblich. Dies betraf zum einen die Art der zu verrichtenden Arbeiten, aber auch die Unterbringung und die Versorgung.

Zudem wurde so erreicht, dass kleine Straftäter nicht Seite an Seite mit Schwerstkriminellen eingesperrt wurden.

Mit der großen StGB-Reform im Jahr 1969 wurde diese Unterscheidung aufgehoben. Es gibt nur noch eine einheitliche Freiheitsstrafe, allerdings sind die Vollstreckungsmodalitäten je nach Dauer und Schwere der Straftat teilweise durchaus unterschiedlich.

Warum nehmen die Bienen so eine wichtige Stellung im BGB ein?

Die Bienen haben im BGB vier eigene Paragraphen (§§ 961 bis 964), die sich in erster Linie damit beschäftigen, was passiert, wenn ein Bienenschwarm seinem rechtmäßigen Eigentümer davonfliegt – oder, wie das Gesetz sagt „auszieht“. Geregelt wird, ob und wie das Eigentum bestehen bleibt und wie der Eigentümer die Verfolgung aufnehmen darf.

Dies ist nur historisch zu erklären. Imkerei und der Handel mit Bienenprodukten waren ein bedeutender Wirtschaftszweig.

Erster Weltkrieg: Kriegszustand ohne Bayern?

Der Kaiser erklärte 1914 den Kriegszustand für das gesamte Deutsche Reich, ausgenommen Bayern.
Der Kaiser erklärte 1914 den Kriegszustand für das gesamte Deutsche Reich, ausgenommen Bayern.
Als der deutsche Kaiser Wilhelm II. am 31.07.1914 den Kriegszustand ausrief und damit den Weg Deutschlands in den Ersten Weltkrieg ebnete, sollte dieser laut offizieller Proklamation für das „Reichsgebiet ausschließlich der Königlich Bayerischen Gebietsteile“ gelten.

Diese Einschränkung irritiert etwas. Denn das Königreich Bayern war bereits seit 1871 Teil Deutschlands und hat sich dann natürlich auch am Ersten Weltkrieg beteiligt. Warum nahm der Kaiser in seiner Erklärung dann das Land Bayern aus?

Die hier auffallende Ausnahme hat jedoch – auch schon aus der Sicht des Jahres 1914 heraus – historische Gründe.

Als Hessen, Württemberg, Baden und Bayern, wie gerade erwähnt, im Jahr 1871 dem Norddeutschen Bund beitraten und sich dieser zum Deutschen Kaiserreich wandelte, war der Schritt in den Ländern sehr umstritten. Gerade Bayern wollte seine Unabhängigkeit nicht zugunsten eines deutschen Staates unter preußischer Führung aufgeben.

Daher wurden in die deutsche Reichsverfassung verschiedene Sonderrechte aufgenommen. So bekam Bayern bspw. den Vorsitz im auswärtigen Ausschuss des Bundesrates (Art. 8 Abs. 3), durfte eigene Alkoholsteuern festlegen (Art. 35 Abs. 2) und behielt die Zuständigkeit für die Eisenbahnen (Art. 4 Nr. 8).

Von besonderer Bedeutung war die „Schlußbestimmung zum XI. Abschnitt“ der Verfassung. Diese legte fest, dass die Regelungen dieses Abschnitts, der die Kriegsführung behandelte, in Bayern nur „nach näherer Bestimmung des Bündnißvertrages vom 23. November 1870“ anwendbar sind.

Dazu gehörte auch Art. 68 Satz 1 der Reichsverfassung, der besagte:

Der Kaiser kann, wenn die öffentliche Sicherheit in dem Bundesgebiete bedroht ist, einen jeden Theil desselben in Kriegszustand erklären.

Nun besagt aber Abschnitt III § 5 des Bündnisvertrags:

Die Artikel 61 bis 68 finden auf Bayern keine Anwendung. An deren Stelle treten folgende Bestimmungen:

(…)

Die Anordnung der Kriegsbereitschaft (Mobilisirung) des Bayerischen Kontingents oder eines Theils desselben erfolgt auf Veranlassung des Bundesfeldherrn durch Seine Majestät den König von Bayern.

Damit konnte der Kaiser also nicht selbst die bayerischen Truppen in Kriegsbereitschaft versetzen, sondern das Reich konnte die Mobilisierung nur veranlassen, formal vollzog aber der bayerische König diesen Schritt. Der im Bündnisvertrag noch verklausuliert genannte „Bundesfeldherr“ war übrigens niemand anderes als der Kaiser selbst.

Und so verkündete auch König Ludwig III. von Bayern nur wenige Tage nach dem Kaiser, am 04.08.1914, den Kriegszustand und führte sein Land damit in den Weltkrieg.

Nationalsozialismus

Wurde Hitler demokratisch gewählt?

Nein, kein Reichskanzler der Weimarer Republik wurde demokratisch gewählt.

Nach Art. 53 der Weimarer Reichsverfassung von 1919 wurde der Reichskanzler vom Reichspräsidenten ernannt. Der Reichspräsident seinerseits wurde gemäß Art. 47 WRV vom Volk gewählt.

Zudem bedurfte der Reichskanzler des Vertrauens des ebenfalls vom Volk gewählten Reichstags, dieser konnte ihn also jederzeit abwählen (Art. 54 WRV). Allerdings waren die Wahlkämpfe in den 30er-Jahren bereits von einem hohen Maß an Gewalt und Einschüchterung geprägt, sodass man gewisse Zweifel an ihrem Ergebnis haben darf.

Hitler kam also verfassungsgemäß an die Macht und stützte sich dabei auf gewählte Verfassungsorgane, es gab aber keine bewusste Entscheidung des Volkes für ihn als Reichskanzler.

War das Dritte Reich ein Einparteienstaat?

Ja.

§ 1 des Gesetzes gegen die Neubildung von Parteien vom 14. Juli 1933 sagt ausdrücklich:

In Deutschland besteht als einzige politische Partei die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei.

Noch weiter geht das Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat vom 1. Dezember 1933, wonach die NSDAP „Trägerin des deutschen Staatsgedankens und mit dem Staat unlöslich verbunden“ (§ 1 Abs. 1) und eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 2 Satz 1) ist.

Im Gegensatz zur DDR versuchte das Dritte Reich also nicht einmal, ein Mehrparteiensystem vorzutäuschen.

War das Ermächtigungsgesetz verfassungsgemäß?

Das ist umstritten.

Materiell war es wohl verfassungsgemäß, da die Weimarer Reichsverfassung praktisch keine Hürden dafür aufstellte. Ein formell ordnungsgemäßes Gesetz konnte jeden beliebigen Inhalt haben und unterlag keiner gerichtlichen Kontrolle.

Unproblematisch war auch, dass nicht der Wortlaut der Verfassung geändert wurde, sondern ein Gesetz außerhalb des Verfassungstextes diesen aufhob. Um das zu verhindern, sieht bspw. Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG vor, dass ein verfassungsänderndes Gesetz den Text des Grundgesetzes selbst ändern muss. Die Weimarer Rechtslehre kannte diese Anforderung aber noch nicht.

Formell bedurfte eine Verfassungsänderung gemäß Art. 76 Abs. 1 Satz 2 WRV der Anwesenheit von zwei Dritteln der Reichstagsmitglieder und der Zustimmung von zwei Dritteln der Anwesenden. Das Quorum wurde aber nur dadurch erreicht, dass die Geschäftsordnung des Reichstags dahingehend geändert wurde, dass die bereits verhafteten Abgeordneten als anwesend gerechnet wurden – eine derartige Aushebelung der Verfassungsbestimmungen stand dem Reichstag aber sicher nicht zu. Ebenso wurde das Abstimmungsverhalten der konservativen und liberalen Reichstagsmitglieder ganz erheblich durch Gewalt und Drohung beeinflusst. Von einer freien Abstimmung war angesichts martialisch auftretender SA- und SS-Männer nicht viel übrig.

Von daher sprechen die besseren Argumente wohl dafür, dass der Reichtagsbeschluss nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Im Endeffekt ist dies aber nicht bedeutsam, da sich während des Dritten Reichs die Frage nach der Legalität des Regierungshandelns gar nicht stellen durfte und es danach durch Kontrollratsgesetz Nr. 1 aufgehoben wurde.

Sind die aufgrund des Ermächtigungsgesetzes erlassenen Gesetze gültig?

Nach ganz herrschender Meinung schon.

Zwar bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Ermächtigungsgesetzes und zudem wurde es bereits durch das erste alliierte Kontrollratsgesetz aufgehoben. Dies ändert aber nichts daran, dass es zwölf Jahre lang eine Grundlage für die Gesetzgebungstätigkeit im Dritten Reich war.

Dass die Alliierten selbst nicht davon ausgingen, dass die Aufhebung des Ermächtigungsgesetzes alle aufgrund dessen erlassenen Gesetze ebenfalls betrifft, ergibt sich auch aus dem Kontrollratsgesetz Nr. 1: Dieses hebt sowohl das Ermächtigungsgesetz als auch einzelne aufgrund der Ermächtigung erlassene Gesetze auf, z.B. das „Gesetz über Volksabstimmung“ oder das „Gesetz über die Hitlerjugend“.

Das wäre nicht notwendig gewesen, wenn diese mit dem Ermächtigungsgesetz automatisch außer Kraft getreten wären. Daher blieben die Gesetze, die die Reichsregierung beschlossen hat, in Kraft, sofern sie nicht ausdrücklich selbst aufgehoben wurden.

Bundesrepublik

Was war das Vereinigte Wirtschaftsgebiet?

Das Vereinigte Wirtschaftsgebiet war der Zusammenschluss von britischer und US-amerikanischer Besatzungszone nach dem Zweiten Weltkrieg. Daher bezeichnete man dieses Gebiet auch als „Bizone“.

Ursprünglich war geplant, diese Bizone mit der französischen Zone zur Trizone zu erweitern und so eine Art westdeutschen Staat (bzw. Staatsvorläufer) zu gründen.

Hierzu kam es jedoch nicht, vielmehr wurde die Bundesrepublik unmittelbar als Staat unabhängig von Besatzungsstrukturen gegründet. Die Rechtsnachfolge der Bizone trat gemäß Art. 133 GG der Bund an.

Warum heißt das Grundgesetz nicht Verfassung?

„Grundgesetz“ ist ein traditioneller juristischer Begriff für eine geschriebene Verfassung, insofern ist die Wahl dieses Namens richtig. Allerdings wollte man 1949 auch den geläufigeren Begriff „Verfassung“ vermeiden, um auszudrücken, dass das Grundgesetz nur kurzfristig und nur für einen Teil Deutschlands gelten sollte, die Wiedervereinigung unter einer neuen Verfassung (Art. 146 GG) aber bald erfolgen würde. Es handelt sich also um eine rein politisch-symbolische Bezeichnung.

Sind die Gesetze früherer deutscher Staaten noch immer gültig?

Ja.

Die Bundesrepublik Deutschland ist nach herrschender Meinung der Staat, der 1867 gegründet wurde. Dieser deutsche Staat hieß nacheinander

  • Norddeutscher Bund
  • Deutsches Reich (Kaiserreich)
  • Deutsches Reich (Weimarer Republik)
  • Deutsches Reich (NS-Regime, zeitweise auch halboffiziell als Großdeutsches Reich bezeichnet)
  • Bundesrepublik Deutschland (West-BRD) und schließlich
  • Bundesrepublik Deutschland (wiedervereinigtes Deutschland)

Und innerhalb dieses Staates gelten die Gesetze weiter, bis sie aufgehoben oder geändert werden. Daher steht bspw. noch heute in der Eingangsformel der ZPO:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

Und das, obwohl es heute weder Wilhelm, noch den Kaiser, noch Preußen, noch dieses Deutsche Reich, noch den Bundesrath noch den Reichstag gibt. An der Geltung des einmal verabschiedeten Gesetzes ändert das nichts.

War Homosexualität in Deutschland wirklich bis 1994 strafbar?

Auch, wenn es eine der Lieblingsgeschichten unseres früheren Bundesjustizministers ist: Nein, so ist das nicht richtig.

Es stimmt, dass es in Deutschland, wie wohl in allen Staaten, homosexuellenfeindliche Gesetze gab. Das bekannteste davon war § 175 StGB, der die „Unzucht zwischen Männern“ für strafbar erklärte. Diese lautete von 1871 bis 31. August 1969 im Wesentlichen so:

Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft.

Auch hier war also nicht die Homosexualität an sich, sondern nur die Betätigung dieser Neigung strafbar. Dass einverständliche sexuelle Handlungen zwischen erwachsenen überhaupt strafbar sein sollen, können wir uns heute natürlich trotzdem nicht mehr vorstellen.

Ab 1969 wurde der Paragraph immer wieder entschärft, aber nie abgeschafft. Dies geschah erst – worauf Herr Maas offensichtlich hinaus will – 25 Jahre später. Die letzte Fassung des § 175 hatte bis 10. Juni 1994 diesen Wortlaut:

Ein Mann über achtzehn Jahre, der sexuelle Handlungen an einem Mann unter achtzehn Jahren vornimmt oder von einem Mann unter achtzehn Jahren an sich vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Man sieht also allein an den Altersangaben, dass hier weniger die früher im Mittelpunkt stehenden „sündigen Handlungen“ verhindert werden sollten, sondern die Ausnutzung junger Menschen, deren Möglichkeit zur sexuellen Selbstbestimmung vielleicht noch nicht so ausgeprägt ist.

Gleichzeitig waren aber auch bestimmte heterosexuelle Beziehungen strafbar. § 182 StGB verbot ebenfalls bis 10. Juni 1994 die „Verführung“:

Wer ein Mädchen unter sechzehn Jahren dazu verführt, mit ihm den Beischlaf zu vollziehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Ob Homosexuelle durch die Gesetzeslage wirklich diskriminiert wurden, lässt sich nicht absolut bestimmen:

  • Nach § 175 war nur strafbar, wer über 18 Jahre alt ist, während es bei § 182 kein Mindestalter gab.
  • Dafür lag das Schutzalter bei Männern bei 18, bei Frauen dagegen nur bei 16.
  • § 182 verbot nur den Beischlaf, also den vollständigen Geschlechtsverkehr, § 175 dagegen schon jede sexuelle Handlung.
  • Die Höchststrafe der „Unzucht zwischen Männern“ war deutlich höher als die der „Verführung“ – allerdings war die in der Praxis viel bedeutendere Mindeststrafe identisch.
  • § 175 erlaubte ein Absehen von Strafe bei jungen Tätern oder bei geringem Unrecht, § 182 dagegen nur bei jungen Tätern (bis 21 Jahre).
  • Die „Unzucht“ wurde immer, die „Verführung“ dagegen nur auf Antrag verfolgt.

Festhalten lässt sich jedenfalls, dass homo- und heterosexueller Verkehr höchst verschieden behandelt wurden.

Ab dem 11. Juni 1994 wurde diese Unterscheidung aufgegeben. Das Geschlecht im neuen § 182, der trotz einiger Änderungen im Wesentlichen noch heute gilt, spielt nun keine Rolle mehr:

Eine Person über achtzehn Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch mißbraucht, daß sie
1. unter Ausnutzung einer Zwangslage oder gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder
2. diese unter Ausnutzung einer Zwangslage dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Ganz im Vordergrund steht nun also der Schutz Minderjähriger, die nicht durch eine Zwangslage oder durch Bezahlung zu sexuellen Handlungen gedrängt werden sollen.

Diese Rechtslage ist deutlich besser als die vorherige, daran gibt es wohl wenig Zweifel. Die pauschale Behauptung des Justizministers ist aber, freundlich gesagt, missverständlich.

Die erste Verfassungsbeschwerde der Bundesrepublik

Vor einiger Zeit habe ich mir die Frage gestellt, welches denn die erste Verfassungsbeschwerde war, die das Bundesverfassungsgericht entschieden hat. Im Internet findet man problemlos die allererste Entscheidung des BVerfG, diejenige zum Südweststaat, als drei Länder zum damals neuen Baden-Württemberg vereinigt wurden. Das war aber keine Verfassungsbeschwerde, sondern ein Normenkontrollverfahren, das das Land Baden angestrengt hatte.

Also habe ich mich an das Bundesverfassungsgericht gewandt und diese Frage gestellt. Nach einigen Tagen bekam ich tatsächlich die Antwort und sogar einen Scan des Original-Urteils zugeschickt. Wahrscheinlich musste dafür ein Mitarbeiter in die staubigen Tiefen des vordigitalen Archivs abtauchen und durch mühseligen Datumsvergleich rausfinden, welche Entscheidung denn wirklich die Nummer 1 war. An der Stelle daher nochmal vielen Dank an die Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts.

So sieht das das Urteil aus (klicken zum Vergößern):

Erste_Verfassungsbeschwerde_1Erste_Verfassungsbeschwerde_2

Und hier nochmal der Text der Entscheidung:

23. November 1951

Das Bundesverfassungsgericht

Aktenzeichen: 1 BvR 1/51

IM NAMEN DES VOLKES!

In dem Verfahrens über die Verfassungsbeschwerde des … H…

hat das Bundesverfassungsgericht – Erster Senat –

in der Sitzung vom 10. Oktober 1951

unter Mitwirkung des Präsidenten Dr. Dr. Höpker-Aschoff, als Vorsitzenden,

und der Richter
Zweigert,
Ellinghaus,
Dr. Scheffler,
Dr. Heiland,
Dr. Scholtissek,
Dr. Drath,
Dr. Stein,
Wessel,
Ritterspach,
Dr. Zweigert

einstimmig beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe.

Nach § 90 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 12.3.1951 (BVGG) – BGBl. S. 243 – kann jedermann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem der weiteren dort im einzelnen bezeichneten Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erheben. Nach § 92 des Gesetzes sind in der Begründung der Beschwerde das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde dagegen, daß in Zivilprozessen seine Mutter über das Vermögen seines im Jahre 1909 verstorbenen Vaters als verfügungsberechtigt angesehen worden sei, obwohl der gerichtliche Erbschein auf die Witwe und die Kinder des Verstorbenen als Miterben gelautet habe. Nachdem die Zivilprozesse rechtskräftig entschieden worden sind, hat der Beschwerdeführer vesucht, den Justizfiskus wegen Verschuldens des Grundbuchrichters, der auf Grund der Urteile Grundstücksumschreibungen vorgenommen hatte, haftbar zu machen. Für dieses Verfahren ist ihm das Armenrecht verweigert worden. Er greift mit seiner Verfassungsbeschwerde die alten Zivilurteile und den Beschluß an, der ihm das Armenrecht verweigert hat.

Der Beschwerdeführer hat es unterlassen, irgendein ihm zustehendes Verfassungsrecht in seiner Verfassungsbeschwerde als verletzt zu bezeichnen. Er bezweckt, durch das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen von ordentlichen Gerichten auf ihre materiellrechtliche Richtigkeit hin nachprüfen zu lassen.

Mangels Bezeichnung des verletzten Verfassungsrechts und mangels Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts, über die gestellten materiellrechtlichen Anträge zu entscheiden, ist die Verfassungsbeschwerde gemäß § 24 BVGG als unzulässig zu verwerfen.

(Unterschriften aller Richter)

Der Verfassungsbeschwerdeführer hatte demnach als Kläger in den Vorverfahren einen zivilrechtlichen Anspruch wegen Immobiliengeschäften erhoben. Als er damit scheiterte, wollte er gegen das Grundbuchamt vorgehen, also einen Staatshaftungsanspruch durchsetzen. Hierfür brauchte er Prozesskostenhilfe, damals noch als „Armenrecht“ bezeichnet, was ihm das Gericht jedoch verweigerte. Darum sollte ihm das Bundesverfassungsgericht zu seinem Recht verhelfen.

Die Verfassungsbeschwerde wurde jedoch verworfen, weil sie schon unzulässig war.

Die Grundvoraussetzung einer Verfassungsbeschwerde, dass eine bestimmte Grundrechtsverletzung gerügt werden muss, wurde nicht eingehalten. Was wir heute so locker sagen können und schon Studenten im ersten Semester beigebracht wird, war damals natürlich nicht derart selbstverständlich. Denn die Verfassungsbeschwerde war eben ein völlig neues Instrument, dessen Voraussetzungen nicht derart allgemein bekannt waren.

Auch heute noch scheitern viele Verfassungsbeschwerden daran, dass – zumindest implizit – gerügt wird, dass die zugrunde liegenden Urteile sachlich falsch sind. Das ist aber nicht die Aufgabe des Verfassungsgerichts, dieses kann nur Grundrechtsverstöße feststellen. Die Gesetzesanwendung ist dagegen Sache der dafür zuständigen, untergeordneten Gerichte und muss ggf. durch die dort gegebenen Rechtsmittel (Berufung, Revision, Beschwerde, Rechtsbeschwerde) angefochten werden.

Rechtshistorisch interessant sind aber auch noch andere Dinge:

  • Anfangs hatten die Senate des Bundesverfassungsgerichts noch zwölf Mitglieder. Erst später verringerte man die Zahl auf die heute vorgesehenen acht Richter.
  • Und wie man an den Unterschriften sieht, haben alle Senatsmitglieder an dieser Entscheidung mitgewirkt. Das wäre heute anders. Für derart eindeutige Entscheidungen ist nun eine „Kammer“ zuständig, die aus nur noch drei Richtern besteht. Diese kann in klaren Fällen einstimmig einen Beschluss erlassen, der die gleiche Wirkung wie ein Senatsurteil hat.
  • Es gab unter den Richtern zwei Zweigerts, nämlich Konrad und Kurt Zweigert. Bei den Unterschriften unterschieden sie sich nur durch den Doktortitel des letzteren. Informationen zu einer eventuellen Verwandtschaft der beiden konnte ich bislang nicht herausfinden.

Insgesamt ist das jedenfalls ein sehr interessanter Einblick in die Anfänge der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit.

Sonstiges

Gerichte auf historischen Bildern und Kunstwerken

Nicht nur das Recht hat Historie, sondern auch die Gerichte. Hier ein interessantes Video von Gerichte auf historischen Bildern und Kunstwerken:

War die DDR ein Einparteienstaat?

Das kommt auf die Sichtweise an.

Tatsächlich gab es in der DDR mehrere Parteien, die jeweils mit festgelegten Mandatszahlen in der Volkskammer vertreten waren:

  • Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED): 127 Sitze
  • Christlich-Demokratische Union (CDU): 52 Sitze
  • National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD): 52 Sitze
  • Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD): 52 Sitze
  • Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD): 52 Sitze

Hinzu kamen noch über 150 Abgeordnete verschiedener Organisationen (Gewerkschaften, FDJ etc.).

Theoretisch erlaubten die Wahlgesetze der DDR auch die Aufstellung konkurrierender Wahlvorschläge, auf die die Sitze dann nach dem Verhältnis der abgegebenen Stimmen verteilt worden wären – wie in einem demokratischen Staat. Tatsächlich waren die Parteien aber vollständig der SED unterworfen und sorgten lediglich für einen Scheinpluralismus. Es wurde grundsätzlich nur ein gemeinsamer Wahlvorschlag aller Parteien aufgestellt, in den die Kandidaten im oben beschriebenen Verhältnis aufgenommen wurden. Daher wurden sie auch als „Blockparteien“ bezeichnet.

Der Grund, warum man andere Parteien zuließ, lag möglicherweise darin, dass man sich vom „echten Einparteienstaat“ NS-Regime abgrenzen wollte.

Werden immer mehr Gesetze erlassen?

Ja, definitiv.

Während das Gesetzgebungsvolumen während der Zeit des Nationalsozialismus auf ein Rekordniveau anstieg, das weit über dem der frühen Bundesrepublik lag, wird dies mittlerweile weit übertroffen. Die jährlichen Gesetzblätter liegen aktuell beim Fünf- bis Zehnfachen des Umfang im Kaiserreich.

Mehr dazu finden Sie hier: Sie hören von meinem Anwalt – Gesetzgebungstätigkeit im historischen Vergleich

Warum gibt es im Münchner Justizpalast einen Schwurgerichtssaal?

Das Schwurgericht war früher ein eigenes Gericht, heute ist es eine Kammer des Landgerichts. Erstinstanzliche Strafsachen gibt es heute im Justizpalast nicht mehr, daher wird der Schwurgerichtssaal nicht mehr als solcher verwendet.

Früher war dies aber anders, da beherbergte der Justizpalast grundsätzlich alle Arten der Gerichtsbarkeit, auch das Strafrecht.

Der Schwurgerichtssaal wird heute eher für Konferenzen als für Gerichtsverhandlungen genutzt. Bspw. werden auch Klausuren von Jurastudenten und -referendaren dort geschrieben.

Hat die Emancipation Proclamation die Sklaven befreit?

Nein.

Die Emanzipationsproklamation war eine Verordnung der US-Präsidenten Lincoln, die den Sklaven in den Staaten, die die Konföderation („Südstaaten“) bildeten, die Freiheit versprach. In den bei den USA verbliebenen Staaten galt sie aber nicht, deren Sklaven (ca. 25 % aller Sklaven in Nordamerika) wurden nicht befreit. Die Proklamation galt also nur dort, wo der Präsident sie eh nicht durchsetzen konnte.

Dazu kam, dass sie am 22. September 1862 verkündet wurde, aber erst am 1. Januar 1863 in Kraft treten sollte und eben nur in den Staaten, die bis dahin den USA nicht wieder beigetreten waren. Hätten die Südstaaten also innerhalb dieser drei Monate die Sezession rückgängig gemacht und sich wieder der Herrschaft Lincoln unterstellt, wären die Sklaven weiterhin Sklaven geblieben.

Insofern handelte es sich keineswegs um eine humanitäre Geste, sondern um ein Angebot an die Konföderierten Staaten: „Schließt euch wieder den USA an und ihr könnt eure Sklaven behalten. Wenn wir euch im Kampf erobern, sind eure Sklaven frei.“

Gab es in Deutschland jemals diese weißen Richterperücken?

Nein, diese waren und sind nur in angelsächsischen Ländern üblich. Insbesondere in Großbritannien tragen Richter und manche Anwälte diese Perücken noch immer.

Auch Anwaltsroben werden heute immer seltener. Insbesondere bei Zivilgerichten im großstädtischen Raum sind diese nicht mehr üblich.

Warum wurde das öffentliche Recht erst spät entwickelt?

Das öffentliche Recht wurde früher als nicht juristische, sondern rein politische Materie angesehen. Staats- und Verwaltungsrecht sollten als Reservatrechte des Monarchen nicht von Gerichten überprüfbar sein.

Auch, als die Überprüfbarkeit behördlichen Handelns längst anerkannt und die Verwaltungsgerichtsbarkeit eingerichtet war, ging man davon aus, dass öffentliches Recht in wesentlichen Teilen nicht kodifizierbar war. Das Bundes-Verwaltungsverfahrensgesetz stammt erst aus dem Jahr 1976, die meisten Landesverwaltungsgesetze sind danach entstanden, das schleswig-holsteinische stammt von 1968.